Das Ende war fiktiv.

Ex-JVA-Leiter Thomas Galli las aus seinem neuen Buch und traf auf einen malenden Kollegen in Leipzig.

Zwei Ex-JVA-Leiter im Doppelpack: Der eine stellte seine Gemälde aus, der andere sein neues Buch über die „Gefährlichkeit des Täters“ vor. Beide haben etwas gemeinsam: sie wollten nicht mehr im Knast arbeiten. Karl Anton hatte mit Vollendung des 50. Lebensjahres unter völligem Verzicht von Ruhestandsbezügen mit der Anstaltsleitertätigkeit im Jahre 2003 aufgehört und sich fortan als freischaffender Künstler betätigt. Thomas Galli, der Gefängnisse am liebsten ganz abschaffen würde, konnte sich von daher mit der Rolle eines Gefängnisdirektors erst recht nicht mehr identifizieren und arbeitet nun seit letztem Jahr als Rechtsanwalt.

Karl Anton war – auch schon zur DDR-Zeit – Leiter in den Gefängnissen Magdeburg und Halberstadt, Thomas Galli im bayrischen Straubing und zuletzt – bis 2016 – in der sächsischen  JVA Zeithain.

Eingeladen waren beide Juristen am vergangenen Mittwoch in das Leipziger Wahlkreisbüro des sächsischen Landtagsabgeordneten Franz Sodann, DIE LINKE.

Thomas Galli stand im Mittelpunkt des Abends und las natürlich aus seinem Buch „Die Gefährlichkeit des Täters“. Daraus wählte er die Geschichte über einen Sicherungsverwahrten aus, der – trotz aller positiven Prognosen – am Ende doch wieder dort landet, wo er schon jahrzehntelang „aus dem Blechnapf gefressen“ hatte. So wird es jedenfalls in der Geschichte dargestellt. Das Fazit: „Welco – so der verfremdete Name des Sicherungsverwahrten – würde bis an sein Lebensende hinter Gittern bleiben. Und alle, die ihn schon immer für gefährlich gehalten hatten, hätten sich nun bestätigt gefühlt.

Aber, das war auch neben der Ausstellung der Bilder von Karl Anton das eigentliche Thema der Veranstaltung: Ist Knast noch zeitgemäß?

Nachdem Galli die Geschichte über den Sicherungsverwahrten aus seinem neuen Buch vorgetragen hatte, wurde dieses Thema unter den Teilnehmern/Publikum der Veranstaltung engagiert diskutiert.

Thomas Galli, der sich nach wie vor als Abolitionist  versteht, versuchte nicht nur am Beispiel der Geschichte des Sicherungsverwahrten deutlich zu machen, dass der Knast die Probleme nicht löse, sondern am Ende nur noch verschlimmere.

Der Tagesablauf sei vom Aufstehen bis zum Schlafengehen durchstrukturiert, die Gefangenen bewegten sich in einem künstlichen Lebensumfeld, es entstehe ein eigenes Werte- und Normensystem – eigentlich „eine Beleidigung des Verstandes“. Es könne nicht so funktionieren wie es funktionieren soll. Das Gefängnis sei der größte Drogenumschlagplatz überhaupt; wer vorher kein Drogenproblem hatte, kriegte es spätestens im Knast. Selbst wenn jemand einen Schulabschluss im Knast absolvierte, wäre er draußen mit der Vorstrafe bzw. als Vorbestrafter dennoch stigmatisiert. Der Anspruch der Resozialisierung funktioniere nicht und könne nicht funktionieren.

Galli stellte fest, dass es viel zu wenig Sozialarbeiter im Knast gäbe, auf 100 Gefangene komme 1 Sozialarbeiter. Das sei eindeutig viel zu wenig, um den die Gefangenen schädigenden Strukturen entgegenzuwirken. Sinnvoller wäre es für ihn daher, Sozialarbeiter außerhalb dieser schädigenden Strukturen einzusetzen. Das wäre aber politisch schwer umzusetzen, weil es dann in den Schlagzeilen der Bild-Zeitung hieße: Jetzt laufen die ganzen Verbrecher draußen frei herum.

Letzten Endes habe er kein Patentrezept für den Umgang mit der Straffälligkeit und den Folgen, es gäbe vielleicht auch keines, bekannte Galli. Abolitionistische Bestrebungen vertrete er jedoch weiterhin.

Karl Anton verstehe sich zwar auch „grundsätzlich“ – „jedoch nicht so radikal wie Galli“ – als Abolitionist, will sich jedoch weiterhin seiner freischaffenden Künstlertätigkeit als Maler widmen. Franz Sodann, kulturpolitischer Sprecher seiner Partei, auch „gelernter Schauspieler“ wie sein Vater Peter Sodann, der Tatortkommissar Ehrlicher, wird weiterhin Kulturpolitik machen.

Übrigens: Das Ende von Gallis Geschichte über den Sicherungsverwahrten war rein fiktiv – er wurde nicht mehr straffällig. Jedenfalls wurde darüber nichts bekannt. Thomas Galli hatte sich hier eine – legitime – künstlerische Freiheit beim Schreiben erlaubt.

Dietmar Jochum

Fotos/Collage: TP Presseagentur/dj

Foto (oben Mitte v.l.): Franz Sodann und Thomas Galli; oben rechts und unten Mitte: Karl Anton

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