Eilantrag gegen sog. Pop-up-Radwege in Berlin erfolgreich.

Die Voraussetzungen zur Einrichtung acht verschiedener temporärer Radfahrstreifen (sog. Pop-up-Radwege) im Berliner Stadtgebiet lagen nicht vor. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden.

Im zeitlichen Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-Pandemie ordnete die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (im Folgenden: Senatsverwaltung) in Berlin die Einrichtung von Pop-up-Radfahrstreifen an. Zur Begründung gab sie im Wesentlichen an, in der Pandemie sei es erforderlich, die systemrelevante Mobilität zu gewährleisten. Ein Großteil der Berliner verfüge über kein Auto und in öffentlichen Verkehrsmitteln sei der Mindestabstand kaum einzuhalten. Das rechtfertige es, beschleunigt und ggf. provisorisch Radwege zu schaffen. Diese seien geeignet, die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu verbessern. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Klage und Eilantrag. Er meint, die Radwege entbehrten einer Rechtsgrundlage. Auch hätte es einer Teileinziehung der Straßen bedurft, die fehle. Zudem dürften Radwege innerhalb geschlossener Ortschaften nur außerhalb von Fahrbahnen errichtet werden. Verkehrsfremde Erwägungen wie die Pandemie könnten zur Begründung nicht herangezogen werden. Eine konkrete Gefahrenlage, die Voraussetzung für Fahrradwege sei, sei durch die Senatsverwaltung nicht dargelegt worden.

Die 11. Kammer hat dem Eilantrag stattgegeben und den Antragsgegner verpflichtet, die entsprechende Beschilderung zu entfernen. Denn es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Radwegeinrichtung. Zwar könne die Senatsverwaltung befristete Radwege einrichten, ohne dass es einer straßenrechtlichen Teileinziehung bedürfe. Unbedenklich sei ebenso, dass der Radfahrstreifen auf der zuvor durch den Autoverkehr genutzten Fahrbahn liege und die Radwege nur befristet eingerichtet seien. Allerdings dürften Radwege nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinwiesen und die Anordnung damit zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefahrenlage habe der Antragsgegner nicht dargelegt, sondern sei fälschlich davon ausgegangen, er müsse eine Gefahrenlage nicht begründen. Tatsachen, die auf eine konkrete Gefahr für den Radverkehr auf den betroffenen Straßenabschnitten hindeuteten, ließen sich der Begründung zur Anordnung nicht entnehmen. Insbesondere könne die Pandemie nicht zum Anlass der Anordnungen genommen werden, da es sich dabei nicht um verkehrsbezogene Erwägungen handele. Die weitere Begründung der Senatsverwaltung bleibe ohne konkrete Belege und gehe über allgemeine, an einer Vielzahl von Straßenzügen gültige Situationsbeschreibungen nicht hinaus.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden. 

Beschluss der 11. Kammer vom 4. September 2020 (VG 11 L 205/20)

Fotoquellen/Collage: TP Presseagentur Berlin

Ein verkehrs- und rechtspolitisches Debakel.
 
Zu der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts, dass die Errichtung der sogenannten Pop-up-Radwege nicht rechtens war, bemerkt der Landesvorsitzende der CDU Berlin, Kai Wegner:
 
„Rot-Rot-Grün erlebt ein verkehrs- und rechtspolitisches Debakel. Die grüne Verkehrssenatorin ist blamiert bis auf die Knochen. Ihre Pop-up-Radwege fallen wie ein Kartenhaus zusammen. Beim Bau ordentlicher Radwege kommt der Senat ohnehin nicht voran. Verbohrte Ideologie baut keine Fahrradwege. Der Senat ist nicht in der Lage, den Verkehr in Berlin sicher und zukunftsfähig zu gestalten. Die Verkehrswende scheitert an politischer Unfähigkeit.
 
Mit der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts wachsen die Zweifel an der Professionalität dieses rot-rot grünen Senats. Denn immer mehr Entscheidungen dieses Senats haben vor den Gerichten keinen Bestand. Ist der Senat nicht in der Lage, die gültige Rechtslage zu erfassen oder treffen die Senatoren bewusst rechtswidrige Anordnungen? Beides wäre ein Armutszeugnis.
 
Die CDU Berlin tritt an für eine nachhaltige, vernünftige und unideologische Mobilitätswende. Wir sind die Stimme der verkehrspolitischen Vernunft. Die Berlinerinnen und Berliner können, wollen und sollen selbst entscheiden, wie sie sich durch unsere Stadt bewegen. Wir setzen auf pragmatische Lösungen und ein gesellschaftliches, technologisches und wirtschaftliches Miteinander aller Mobilitätsträger. Echte urbane Mobilität erreichen wir nur über Angebote statt über Verbote, über Anreize statt über Zwang.“
Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther, Fotoquelle: TP Presseagentur Berlin

Senatsverwaltung legt Beschwerde gegen Entscheidung des Verwaltungsgerichts bezüglich Pop-Up-Radwegen ein.

Mit der Beschwerde wird zugleich die aufschiebende Wirkung beantragt.

Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) wird gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zur Rechtmäßigkeit der Anordnung sogenannter Pop-Up-Radwege unverzüglich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen – und zugleich die aufschiebende Wirkung dieser Beschwerde beantragen.

Zur Begründung wurde angeführt:

„Es stehen hier grundsätzliche Fragestellungen im Raum, die das Verwaltungsgericht in seiner Eilentscheidung aus Sicht der SenUVK nicht hinreichend gewürdigt hat. Hier bedarf es einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, um auch in Zukunft Rechtssicherheit für das weitere Vorgehen bei Anordnungen von Radwegen zu erhalten.

Aus Sicht der SenUVK sind die „Pop-Up-Radwege“ rechtmäßig angeordnet und hinreichend nach den Erfordernissen des § 45 Straßenverkehrsordnung begründet. Sie dienen insbesondere der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs.

Im Übrigen ist kein anderer Verkehrsteilnehmender in seinen Grundrechten verletzt, wenn Radwege angeordnet werden.“

Die SenUVK geht davon aus, dass die „Pop-Up-Radwege“ in Berlin Bestand haben und verfolgt weiterhin das Ziel, die bisher nur provisorische Einrichtung (u. a. mit Warnbaken) auf möglichst allen Strecken in dauerhafte Anordnungen zu überführen.

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