„Einführung eines Arbeitslosengeldes Q“

 Beschluss des SPD-Parteivorstandes: Qualifizierung stärken, Versicherungsschutz verbessern: Die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung.

Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen: Zwei Drittel der Arbeitslosen bleiben links liegen.

 

In seiner heutigen Sitzung hat der SPD-Parteivorstand folgenden Beschluss: „Qualifizierung stärken, Versicherungsschutz verbessern: Die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung“ einstimmig gefasst:

Die Herausforderung: Ein sich wandelnder Arbeitsmarkt

Wir stehen vor den Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt: Digitalisierung, demografischer Wandel und veränderte Produktionsprozesse führen dazu, dass sich auch der Arbeitsmarkt wandelt. Viele Tätigkeiten und Qualifikationen werden verschwinden, neue jedoch hinzukommen. Deshalb wird die Sicherung und Entwicklung von Qualifikationen über das gesamte Erwerbsleben hinweg zu einer zentralen arbeitsmarktpolitischen Aufgabe.

Derzeit spricht zwar wenig dafür, dass die Nachfrage nach Arbeit auf absehbare Zeit durch die Automatisierung von Produktion und Dienstleistungen deutlich abnehmen wird. Aber wir werden eine dynamische Entwicklung erleben. Und diese dynamische Entwicklung wollen wir erfolgreich gestalten. Wir wollen einen Fachkräftemangel in bestimmten Berufen und Regionen auf der einen Seite und qualifikationsbedingte Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite vermeiden. Zum Wohle der Unternehmen und Beschäftigen, die gemeinsam die gute wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land tragen. Mehr in Qualifizierung zu investieren, ist deshalb sozial- und wirtschaftspolitisch sinnvoll!

Für uns ist klar: Die neue Arbeitswelt 4.0 braucht neue Absicherung für die Beschäftigten. Flexiblere Beschäftigungsstrukturen und veränderte Erwerbsbiografien können zu mehr Übergängen zwischen Erwerbstätigkeit und Phasen der Arbeitslosigkeit führen. Gerade wer in besonders volatilen Bereichen (z.B. Kultur- und Medienberufen) arbeitet, muss sich bei Arbeitslosigkeit auf einen wirksamen Versicherungsschutz verlassen können. Wir wollen, dass Beschäftigte im Laufe ihres Erwerbslebens so unterstützt zu werden, dass eine längere Phase der Arbeitslosigkeit möglichst vermieden wird bzw. dass Phasen der Arbeitslosigkeit genutzt werden, um die vorhandene Qualifikation zu erweitern.

Unsere Vorschläge: Intelligente Maßnahmen für Unternehmen, Arbeitsmarkt und Beschäftigte

Auf diese Herausforderungen für Unternehmen, Arbeitsmarkt und Beschäftigte wollen wir mit intelligenten Maßnahmen reagieren und damit alle Akteure stärken: Neben der Einführung eines Rechts auf Weiterbildung wollen wir ein neues Arbeitslosengeld Q für die Dauer von Qualifizierungsmaßnahmen einführen, den Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit verbessern und die Bundesagentur für Arbeit zu einer Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung weiterentwickeln.

Von diesen Maßnahmen profitieren Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen.

Recht auf Weiterbildung

Wir wollen ein Recht auf Weiterbildung einführen. Die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung soll gesetzlich verpflichtet werden, Arbeitslosen, die innerhalb von 3 Monaten keine neue Beschäftigung finden, ein Angebot für eine Qualifizierungsmaßnahme zu machen, die die Vermittlungschancen nachhaltig erhöht (keine Kurzschulungen oder Kurzzeitpraktika). Das Recht auf Weiterbildung beinhaltet eine umfassende Kompetenzerfassung, einschließlich informeller Kompetenzen. Darauf aufbauend erfolgt eine gezielte Weiterbildungsberatung. Die anschließenden Weiterbildungsmaßnahmen können auch im Nachholen eines Berufsabschlusses oder einer Umschulung bestehen.

Die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung sucht bereits in den letzten drei Monaten der Weiterbildungsmaßnahme passende Arbeitsplatzangebote, die der neu erworbenen Qualifizierung entsprechen. Nach erfolgreichem Abschluss der Qualifizierungsmaßnahme soll die Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung auf Basis der neu erworbenen Qualifizierung erfolgen.

Einführung eines Arbeitslosengeld Q

Wir wollen ein neues Arbeitslosengeld Q für die Dauer der Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen einführen. Der Bezug des ALG Q wird nicht auf einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG) angerechnet, die Höhe entspricht dem ALG. Nach Beendigung einer Qualifizierungsmaßnahme setzt der Anspruch auf ALG erneut nach den bisherigen Regeln ein.

Anders als in der Vergangenheit wird damit für die Zeit der Qualifizierungsmaßnahme die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nicht mehr um die Hälfte gemindert. Damit können Arbeitssuchende, die nicht direkt eine neue Stelle finden und sich gleichzeitig weiterqualifizieren, länger Arbeitslosengeld beziehen als bisher. Für Arbeitssuchende schafft dies mehr Sicherheit und gibt zusätzliche Motivation für eine berufliche Neuorientierung. Außerdem wird damit das wirtschaftlich und gesellschaftlich wichtige Ziel unterstützt, die Zahl der Fachkräfte und der Beschäftigten auf einem hohen Niveau zu halten.

Verbesserter Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit

Wir wollen den Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit verbessern. Der Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit ist ein Grundpfeiler unseres Sozialstaates. Auf ihn können und müssen sich Beschäftigte verlassen. Vor dem Hintergrund des sich wandelnden Arbeitsmarktes ist es wichtig, diesen Schutz mehr Menschen zugänglich zu machen, um auch bisher nicht erfasste Beschäftigungsverhältnisse, wie z.B. oft kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer, in den Versicherungsschutz mit einzubeziehen.

Derzeit erhält Arbeitslosengeld, wer innerhalb von 2 Jahren (sog. Rahmenfrist) vor der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat (sog. Mindestvorversicherungszeit). Indem die Rahmenfrist auf 3 Jahre erweitert und die Mindestvorversicherungszeit auf 10 Monate gesenkt wird, profitieren mehr Beschäftigte von dem Schutz der Arbeitslosenversicherung.

Als zusätzliche Maßnahme soll das Schonvermögen in der Grundsicherung von bisher 150€ pro Lebensjahr auf 300€ pro Lebensjahr verdoppelt werden.

Weiterentwicklung der Arbeitslosen- zur Arbeitsversicherung: Die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung

Unsere Vorschläge sind Teil einer notwendigen Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung hin zur Arbeitsversicherung. Die Arbeitsversicherung unterscheidet sich von der bisherigen Arbeitslosenversicherung dadurch, dass sie viel früher, bei der Qualifizierung, die ein ganzes Arbeitsleben anhalten muss, ansetzt und stärker als bisher die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und die Stabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen zur Aufgabe hat.

Ein wesentliches Element der Arbeitsversicherung ist ein Recht für alle Beschäftigten auf Kompetenzfeststellung und Lebenslaufberatung durch die Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung. Beschäftigte sollen jederzeit in ihrem Berufsleben eine unabhängige Beratung in Anspruch nehmen können, die ihnen aufzeigt, welche beruflichen Perspektiven sie mit ihren vorhandenen Qualifikationen haben und welche Optionen für eine berufliche Weiterbildung sinnvoll sind. Im Bedarfsfall können aufbauend auf der Beratung erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen durch die Arbeitsversicherung gefördert werden.

Flankiert werden muss diese Strategie durch ein Fachkräftemonitoring, das den arbeitsmarktpolitischen Akteuren dabei hilft zu erkennen, welche Qualifikationen und Fachkräfte in den Branchen und Regionen perspektivisch benötigt werden.

Glossar:

Arbeitslosengeld (ALG): Oftmals auch als ALG I bezeichnete Leistung aus Beitragsmitteln der Arbeitslosenversicherung. Zeitlich begrenzter Bezug. (bisher maximal 24 Monate)

Arbeitslosengeld II (ALG II): Leistung der Grundsicherung aus Steuergeldern. Zeitlich unbegrenzter Bezug für die Dauer der Bedürftigkeit.

 

SPD-Agenda-Pläne: Zwei Drittel der Arbeitslosen bleiben links liegen

 

Zur offiziellen Vorstellung der SPD-Vorschläge für Korrekturen an der Agenda 2010 erklärte heute Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Die SPD erfindet das arbeitsmarktpolitische Rad nicht neu, schließlich gilt das Prinzip ‚Weiterbildung verlängert Arbeitslosengeld-I-Bezug‘ schon lange. Richtig ist aber der Plan, mehr als bisher in Arbeitslose und ihre Qualifikationen zu investieren. Vollkommen falsch dagegen ist es, dieses Vorhaben auf Arbeitslosengeld-I-Bezieher zu beschränken. Damit werden alle Arbeitslosengeld-II-Bezieher und damit fast zwei Drittel der Arbeitslosen ausgeschlossen. Sie passen offenbar nicht ins SPD-Schema vom ‚hart arbeitenden Menschen‘.

Laut Bundesagentur für Arbeit haben knapp 60 Prozent der Arbeitslosen in der Grundsicherung keine Berufsausbildung, jeder Fünfte verfügt noch nicht einmal über einen Schulabschluss. Wenn eine Weiterbildungsoffensive nötig wäre, dann in diesem Bereich. Trotzdem lassen SPD-Kandidat Schulz und die amtierende Arbeitsministerin Nahles die Hartz-IV-Bezieher einfach links liegen. Noch nicht einmal der Vermittlungsvorrang soll wegfallen, der dafür sorgt, dass die schnelle und oft nicht nachhaltige Vermittlung vor Qualifizierungen geht. Das ist weder gerecht noch zukunftsweisend.

Statt die einen mit Rechtsansprüchen zu versorgen und für die anderen nichts zu tun, brauchen wir eine Arbeitsförderung, die alle Arbeitslosen optimal unterstützt – und zwar unabhängig davon, welche Geldleistung sie beziehen oder wie alt sie sind.“

Sahra Wagenknecht, DIE LINKE: SPD muss Glaubwürdigkeit unter B…

Die Realisierung der Vorschläge des #SPD-Kanzlerkandidaten Martin #Schulz wären eine punktuelle Verbesserung, aber von einer Rücknahme der #Agenda 2010 und einer echten Absicherung vor sozialem Absturz kann natürlich keine Rede sein, sagte Sahra Wagenknecht am Montag in #Berlin. Die Vorsitzende der Fraktion DIE #LINKE. im #Bundestag und Spitzenkandidation für die #Bundestagswahl fordert die SPD erneut auf, mit aktuellen rot-rot-grünen Mehrheiten Verbesserungen auf den Weg zu bringen und die eigene #Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen. Die Wählenden auf die Zeit nach der #Wahl zu vertrösten, nähre den Verdacht, dass es sich nur um #Wahlkampf handele.https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/agenda-2010-fehler-reden-ohne-handeln-ist-wahlkampfgetoese/

Publié par Fraktion DIE LINKE. im Bundestag sur lundi 6 mars 2017

Agenda-2010-Fehler: Reden ohne Handeln ist Wahlkampfgetöse

„Die Korrekturvorschläge der SPD am Arbeitslosengeld I sind ungenügend. Wer wirklich wieder soziale Sicherheit herstellen und die Fehler der Agenda 2010 beseitigen will, der muss eine Arbeitslosenversicherung wiederherstellen, die bei Jobverlust auffängt und nicht abstürzen lässt“, kommentierte Sahra Wagenknecht die Korrektur-Vorschläge des SPD-Vorstands an der Agenda 2010.

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag weiter:

„Wer, wie die SPD, aber selbst für die kleinsten Fehlerkorrekturen an der Agenda 2010 nicht die aktuellen Möglichkeiten im Deutschen Bundestag jenseits der Union nutzt, der meint selbst diese offenbar nicht ernst. Martin Schulz und die SPD streuen der Öffentlichkeit Sand in die Augen, wenn sie den Eindruck erwecken, dass Korrekturen an der Agenda-2010 nach der Wahl mit der CDU/CSU möglich seien. Wir fordern die SPD stattdessen auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Im Bundestag kann die Sozialdemokratie in den nächsten Monaten zeigen, dass es ihr nicht nur um leeres Wahlkampfgetöse geht. Beispielsweise indem sie gemeinsam mit der der Fraktion DIE LINKE ein Verbot sachgrundloser Befristungen beschließen. Es gibt im Bundestag eine Mehrheit für diese wichtige Korrektur. Es liegt allein an der SPD, dass eine solche Veränderung zum Wohle der hart arbeitenden Menschen bisher nicht beschlossen wurde. Nur eine starke LINKE wird den nötigen Druck dafür erzeugen, dass die Schulz-Ankündigungen nicht nur leeres Wahlkampfgetöse bleiben.“

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