Am morgigen Donnerstag beleuchtet der Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags unter anderem die Rolle des Justizministers und dessen Ministerium im Fall der Missbrauchsvorwürfe gegen die Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen. Die Landtags-Grünen sehen Verdunkelungsgefahr.
München (6.11.24) Nach Foltervorwürfen in Bezug auf die Justizvollzugsanstalt (JVA) Augsburg-Gablingen nimmt am morgigen Donnerstag, 7. November 2024, Justizminister Eisenreich im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags Stellung (Online-Übertragung). Viele Fragen sind bisher offengeblieben. Die Landtags-Grünen erwarten insbesondere zu folgenden Aspekten konkrete Antworten durch den Justizminister:
1. Wann genau, an welchem Tag, hat Minister Eisenreich erstmals von den Foltervorwürfen und an welchem Tag vom Brief der Ärztin ans Ministerium erfahren – und wann und durch wen wurde er innerhalb seines Ministeriums darüber informiert? Hintergrund: Es wirkt, als würde vermieden, den genauen Zeitpunkt zu nennen. Vor dem Hintergrund der Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft im August 2024 stellt sich zudem die Frage, ob das Ministerium zu diesem Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft darüber informiert wurde – und ob in der Folge auch Minister Eisenreich von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurde und an welchem Tag? Und falls nicht, warum nicht, mit welcher Begründung?
2. Gibt es Vorwürfe oder Hinweise zu Misshandlungen, Folter oder sonstigen ungewöhnlichen Vorkommnissen, die sich ereignet haben oder haben sollen, nachdem das Justizministerium im Herbst 2023 durch die E-Mail der Anstaltsärztin informiert worden ist? Hintergrund: Staatsminister Eisenreich hat in der Pressekonferenz vom 31. Oktober umfangreich erklärt, warum er von nichts gewusst habe. Er konnte aber nicht darstellen, ob die Maßnahmen seines Hauses ausgereicht haben, um etwaige Missstände auch aufzudecken und zu beenden. Zudem muss aufgeklärt werden, welche früheren Hinweise es gab. Ein Kollege der Anstaltsärztin soll sich bereits vorher beim Ministerium über die Zustände in der JVA Augsburg-Gablingen beschwert haben.
3. Wird seitens des Ministeriums und der Staatsanwaltschaft wirklich alles Notwendige unternommen, um für Aufklärung zu sorgen? Ist nicht eine Untersuchungshaft der Beschuldigten angezeigt, weil sie trotz Freistellung und Betretungsverbot weiter für Verdunkelung sorgen könnten? Und inwiefern wird die Aufklärung durch die Freistellung der Anstaltsleiterin erleichtert? Geht auch von ihr eine Verdunklungsgefahr aus? Gibt es Videoaufzeichnungen von der Überwachung der besonders gesicherten Hafträume und liegen diese in allen entsprechenden Fällen vor? Und ist dem Ministerium bekannt, ob während der zwölf Monate, in denen die Vorwürfe von der Staatsanwaltschaft untersucht worden sind, Zeug*innen unter Druck gesetzt oder mögliche Beweismittel vernichtet worden sind und falls ja, welche?
4. Wie ist die Lage in anderen JVA in Bayern? Kann Minister Eisenreich garantieren, dass es dort keine ähnlichen Fälle gibt? Wie will er dies in Zukunft sicherstellen – und sieht er sich in der Lage, mögliche künftige Whistleblower zu schützen? Zudem stellt sich die grundlegende Frage, ob Minister Eisenreich sein Ministerium überhaupt im Griff hat – wenn er eigenen Angabe zufolge nicht informiert wird, obwohl gegen leitende Angestellte des Vollzugssystem ermittelt wird. Oder, ob es möglicherweise etwas zu verbergen geben könnte: Denn nach öffentlichem Bekanntwerden der Vorwürfe forderte der Minister erst Aufklärung, dann räumte sein Ministerium ein, dass die Vorwürfe seit einem Jahr bekannt waren, und jetzt erst erstattet der Minister dem Ausschuss Bericht – wohl, weil der mediale Druck zu groß geworden ist.
Toni Schuberl, Sprecher für Recht der Landtags-Grünen, erklärt:
„Sollte es in Gablingen tatsächlich zu derartigen Misshandlungen gekommen sein, dann liegt das nicht nur an der JVA selbst, sondern dann hat auch das Ministerium als Aufsichtsbehörde vollkommen versagt. Wir wissen gerade noch nicht mal, ob es nach den Vorwürfen im Herbst 2023 noch zu weiteren Vorfällen kam. Und ich befürchte, dass die Aufarbeitung zu halbherzig betrieben wird. Die Staatsregierung muss jetzt erklären, wie sie hier landesweit wieder für Ordnung sorgen möchte. Und wir werden im Ausschuss dafür sorgen, dass der Minister endlich unsere Fragen beantwortet!“
Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der
Landtags-Grünen, erklärt:
„Ich frage mich: Wo ist Markus Söder? Wir haben es hier mit gravierenden
Foltervorwürfen zu tun. Mitten in Bayern. Und wir haben einen Minister, der von
alldem nichts wusste oder nichts gewusst haben will. Das bedeutet: Wir haben
hier einen groben Fehler im System. Es ist allerhöchste Zeit, dass die
Aufklärung eine Ebene höher stattfindet. Ministerpräsident Söder als
Verantwortlicher für die Arbeit seiner Minister muss sich hier schleunigst
einschalten. Das ist er nicht nur den Gefangenen schuldig, sondern auch allen
Justizvollzugsbeamten, die ihren Beruf vorbildlich und gesetzestreu ausüben.
Ein Ministerpräsident, dem Bayern wirklich am Herzen liegt, hätte sich schon
längst zu Wort gemeldet und sich dem Problem in seiner Regierung
gestellt.“
Presseerklärung der Staatsanwaltschaft zu JVA Gablingen,
Im Ermittlungskomplex „JVA Gablingen“ richtet sich das Verfahren derzeit gegen 16 Beschuldigte.
Im Rahmen der Ermittlungen wird auch geprüft, ob durch einzelne Bedienstete nach dem 24.10.2024 möglicherweise beweisrelevante Unterlagen vernichtet wurden. Am 31.10.2024 wurde ein Verfahren gegen drei Mitarbeiter wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung eingeleitet.
Anlass waren die Verdachtsmeldungen von zwei Bediensteten der JVA Gablingen, welche an die Staatsanwaltschaft Augsburg weitergeleitet wurden.
Die Mitarbeiter haben angegeben, mitbekommen zu haben, wie von den drei Beschuldigten möglicherweise Unterlagen geschreddert worden sein sollen.
Nach Angaben der JVA wurde umgehend die Sicherung des gesamten noch vorhandenen Schredderguts veranlasst und dieses durch die Kriminalpolizei sichergestellt. Derzeit wird eine Wiederherstellungsmöglichkeit geprüft.
Ferner ist Gegenstand der Ermittlungen, ob es bei einem Einsatz in einer anderen bayerischen JVA durch einen oder mehrere Bedienstete der JVA Gablingen zu strafrechtlich relevanten Übergriffen gekommen ist.
Weitere Auskünfte können zum derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht erteilt werden. Es wird darauf hingewiesen, dass bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung gilt.
Dr. Dobler
Oberstaatsanwalt
Fotoquellen: TP Presseagentur Berlin
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