Juncker: Europäische Reihen stehen geschlossen zusammen.

Kritik von Grünen und Linken an der Flüchtlingspolitik.

EU-Kommissionspräsident Juncker nimmt heute am informellen Malta-Gipfel in Valletta teil. Im Mittelpunkt stehen Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration über das Mittelmeer und zur Stabilisierung Libyens.  Die 27 Staats- und Regierungschefs ohne Großbritannien führen zudem eine breite Diskussion über die Zukunft Europas vor dem Gipfeltreffen von Rom zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März. „Die europäischen Reihen stehen geschlossen zusammen“, sagte Juncker zum Auftakt des Gipfels. „Aber wir müssen uns mit allen Europäern auf das Wesentliche neu verständigen. Es gibt da einige, die ausbüchsen wollen.“

Der Malta-Gipfel, heißt es, bietet die Gelegenheit, die europäischen Werte zu bekräftigen und die Toleranz, Solidarität und Offenheit Europas zu verteidigen. Nach der ersten Arbeitssitzung über die externe Migration werden die Staats- und Regierungschefs die Malta-Erklärung veröffentlichen, in der konkrete kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Lage entlang der Mittelmeerroute und vor Ort in Libyen und den Nachbarländern vorgestellt werden. Die gemeinsame Pressekonferenz von Premierminister Muscat, Ratspräsident Tusk und Präsident Juncker ist für 16:00 Uhr MEZ geplant und kann via EbS live verfolgt werden.

Vor dem informellen Malta-Gipfel hatten die Kommission und die Vertreterin für Außenpolitik, Mogherini, eine Reihe von Maßnahmen vorgelegt, die die Staats- und Regierungschefs für die Stabilisierung des Mittelmeerraums in Betracht ziehen sollten. Weitere Informationen in einem  Strategiepapier des Europäischen Zentrums für politische Strategie (EPSC), dem Thinktank der Europäischen Kommission.

Weitere Informationen:

Website des Rates zum Informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs am 03.02.2017 in Malta

Kommissionsvorschläge zur Steuerung der Migrationsströme an der zentralen Mittelmeerroute 

Questions & Answers: Migration on the Central Mediterranean route

Factsheet on EU-Libya relations

Erste Ergebnisse des Partnerschaftsrahmens für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich der Migration

Fortschritte bei der Europäischen Grenz- und Küstenwache

Flüchtlinge nicht in Libyen internieren, sondern sie dort herausholen

„Ich erwarte, dass jeder Versuch, Flüchtlinge nach Libyen zu verfrachten, entschieden zurückgewiesen wird“, sagt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE im Bundestag, Ulla Jelpke, mit Blick auf den heutigen EU-Gipfel auf Malta.

Jelpke weiter:

„Das Gebot der Stunde darf nicht lauten, Flüchtlinge in Libyen zu internieren, sondern vielmehr, ihnen so schnell und so sicher wie möglich dort herauszuhelfen.

Während die Zahl der Menschen, die auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrinken, immer höher steigt, denkt die EU über die Verschärfung ihrer Abschottungspolitik nach. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten.

Der Entwurf der Gipfelerklärung ist schlicht völkerrechtswidrig. Es ist ausreichend bekannt, welches grausame Schicksal Flüchtlinge in Libyen erwartet – da ist es absolut unverständlich, dass die EU darüber diskutiert, sie dorthin zurückzuschieben.

Solange es in Libyen keine funktionsfähige Regierung gibt, läuft die Ausbildung der dortigen Küstenwache nur darauf hinaus, eine von mehreren Bürgerkriegsparteien aufzurüsten. Libyen ist auf absehbare Zeit kein Partner für eine Politik, die auch nur ansatzweise die humanitären Verpflichtungen des internationalen Flüchtlingsrechts beachtet. Die Militäroperation Sophia leistet dazu keinen Beitrag. Sie muss eingestellt werden und durch das Angebot sicherer und legaler Fluchtrouten ersetzt werden.“

1354 Tote innerhalb von drei Monaten

Zu den von UNICEF veröffentlichten Todeszahlen im Mittelmeer und dem EU-Gipfel in Malta erklärt die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt:

„Die Zahlen sollten uns innehalten lassen. Mindestens 1354 Tote innerhalb von drei Monaten, unter ihnen schätzungsweise 190 Kinder. Menschen, die auf der Suche nach Zuflucht, ihr Leben verloren haben. Das macht uns traurig und fassungslos. Die Zahlen offenbaren in ihrer nüchternen Brutalität das Versagen der EU-Staats- und Regierungschefs.

Wir brauchen einen Neustart der europäischen Flüchtlingspolitik. Ein Flüchtlingsdeal mit Libyen kann angesichts der dramatischen, unsicheren Situation in dem Land keine Lösung sein. Ich erwarte, dass die Bundeskanzlerin in Malta eine neue Initiative startet. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Lösung. Dazu gehört eine zivile Seenotrettung genauso wie das klare Bekenntnis aller EU-Mitgliedsstaaten, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Staats- und Regierungschefs müssen endlich den Weg für eine sinnvolle und gerechte Verteilung der Flüchtlinge freimachen.

Wenn es dabei bleibt, dass nicht alle EU-Staaten mitmachen wollen, müssen wir einen anderen Weg wählen – übers Geld. Unser Vorschlag: Die Länder, die sich raushalten wollen, sollen für ihre Untätigkeit bezahlen, während Länder oder Regionen, die sich beteiligen, aus diesen Mitteln dann finanzielle Unterstützung für die Aufnahme von Flüchtlingen erhalten.“

Diese Flüchtlingspolitik kostet Menschenleben

„In nur einer Woche sind fünf Geflüchtete in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln ums Leben gekommen. Dies ist die direkte Folge des schändlichen Flüchtlingsdeals mit der Türkei. Aufgrund von Kälte, mangelnder medizinischer Versorgung und katastrophalen Zuständen in den Lagern selbst sind diese Geflüchteten gestorben. In diesen menschenunwürdigen Verhältnissen sitzen sie als Folge des Abkommens der EU mit der Türkei auf den Inseln fest“, erklärt Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende und entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die LINKE im Bundestag, anlässlich des Todes von fünf Geflüchteten in griechischen Lagern.

Hänsel weiter:

„Wegen des sogenannten Flüchtlingsdeals müssen Menschen immer gefährlichere Fluchtrouten in Kauf nehmen. Im Jahr 2016 kamen mindestens 7495 Geflüchtete im Mittelmeer ums Leben. Dies sind fast genau doppelt so viele Tote wie im Jahr 2015 vor dem Türkei-Abkommen. Die Abschottungspolitik Europas und der Bundesregierung haben zu diesen Toten im Mittelmeer geführt.

Die von der EU verhängte Austeritätspolitik gegenüber Griechenland und Italien trägt zusätzlich zur schlechten Versorgungslage in den Flüchtlingslagern bei. Ich fordere die Bundesregierung auf, statt neue tödliche Flüchtlingsdeals mit Libyen und anderen afrikanischen Staaten zu vereinbaren, sich auf dem EU-Gipfel in Malta für ein Ende des Flüchtlingsabkommen mit der Türkei einzusetzen. Wer nicht den Tod von Tausenden auf dem Gewissen haben will, muss endlich sichere Einreisewege ermöglichen und vor allem die Fluchtursachen angehen. Dazu gehört auch eine entwicklungsfreundliche Handelspolitik statt EU-Freihandelsregime mit dem Süden.“

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