Rumsfeld kann kommen.

Einer Teilnahme des US-Verteidigungsministers an Münchner Sicherheitskonferenz steht nichts mehr im Wege: Generalbundesanwalt will nicht wegen Folter im Irak ermitteln.

Von Dietmar Jochum, TP Berlin.

Einen Tag vor Beginn der sogenannten Sicherheitskonferenz in München hat die Bundesanwaltschaft bekanntgegeben, gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht wegen der Folter von Gefangenen im besetzten Irak zu ermitteln. Generalbundesanwalt Kay Nehm erklärte am Donnerstag dazu, zuständig seien in erster Linie die Behörden des Tatortstaates beziehungsweise der Heimatstaaten der Täter und Opfer, sowie internationale Gerichtshöfe, nicht aber Deutschland.

Untersuchungsberichte

Der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck hatte am 30. November 2006 im Namen des Center for Constitutional Rights in New York zusammen mit vier irakischen Staatsbürgern Strafanzeige gegen Rumsfeld gestellt und Ende Januar weitere den Pentagon-Chef belastene Materialien nachgereicht. Neben Rumsfeld waren der ehemalige CIA-Direktor George Tenet, General Ricardo Sanchez sowie weitere Mitglieder der Regierung und der Streitkräfte der USA wegen Kriegsverbrechen und Folter zum Nachteil irakischer Internierter im Gefängnis Abu Ghraib in den Jahren 2003 und 2004 angezeigt worden. Da weder im besetzten Irak noch in den USA mit strafrechtlicher Verfolgung der Folterverantwortlichen zu rechnen ist, war der Berliner Anwalt von der New Yorker Organisation und den Irakern mit einer Strafanzeige in Deutschland beauftragt worden.

In seiner 172 Seiten umfassenden Anzeige bezieht sich der Jurist insbesondere auf Untersuchungsberichte des ehemaligen US-Verteidigungsministers James Schlesinger (Schlesinger-Bericht), der Offiziere George R. Fay und Anthony R. Jones (Fay/Jones-Bericht) sowie von Major General Antonio M. Taguba (Taguba-Bericht), aus denen sich zum einen detailliert die Mißhandlungen, Folterungen und Kriegsverbrechen der einzelnen Soldaten sowie zum anderen explizit die Verstrickungen der nun angezeigten niedrig- und höherrangigen Militärs sowie des Verteidigungsministers und des ehemaligen CIA-Direktors ergeben.

Konventionen mißachtet

Kalecks Anzeige listet eine Reihe von Mißhandlungen, Folterungen, Fällen sexuellen Mißbrauchs, vorschriftswidrigen Einsatzes von Militärhunden, demütigenden und entwürdigenden Behandlungen sowie des Einsatzes von Isolationsmaßnahmen auf. So wurden zum Beispiel Gefangene geschlagen, getreten, durch Hunde in Angst und Schrecken versetzt, in nacktem Zustand in Gewahrsam gehalten, gezwungen, Sexualstellungen zu simulieren; es wurden ihnen Säcke über den Kopf gestülpt, Stühle auf ihren Körpern zu Kleinholz zerschlagen, sie wurden mit kaltem Wasser übergossen und extremer Kälte ausgesetzt; sie wurden an Hundeleinen geführt und gezwungen zu bellen, es wurde auf sie gespuckt und uriniert und ihnen wurden unbekannte Substanzen in die Genitalien injiziert; die Häftlinge mußten sich in Schichten aufeinanderlegen und masturbieren. Von diesen Mißhandlungen und Folterungen wurden Fotos angefertigt, die dann zur allgemeinen Belustigung der Soldaten als Computer-Bildschirmschoner dienten. Einige dieser Fotos wurden publik und belegten öffentlich die Mißhandlungen in Abu Ghraib.

Rumsfeld, so Kaleck in seiner Strafanzeige, veranlaßte und unterstützte Kriegsverbrechen bzw. stiftete dazu an. Sein »Versagen bei der Aufstellung klarer politischer Richtlinien, sein Druck auf seine Untergebenen, verwertbare Informationen zu beschaffen, und seine öffentlich bekannte Mißachtung der Genfer Konvention« hätten »für die Einstellung im militärischen und geheimdienstlichen Bereich (gesorgt), daß ›alles möglich war‹.« Er habe gewußt, »daß Kriegsverbrechen begangen wurden, da er bestimmte illegale Handlungen ausdrücklich angeordnet hatte«.

Auch der ehemalige CIA-Direktor George Tenet habe Kenntnis davon gehabt, daß Kriegsverbrechen von seinen Untergebenen begangen werden sollten, und nichts unternommen, um diese Verbrechen zu verhindern. Die Methoden, die von der CIA (bei Verhören) angewendet wurden, seien so schwerwiegend gewesen, daß führende Mitarbeiter des FBI ihre Agenten angewiesen haben, sich aus vielen Verhören herauszuhalten, weil sie befürchteten, daß ihre Agenten derart kompromittiert würden und sie in Strafverfahren verwickelt werden könnten.

Völkerstrafgesetzbuch

Rechtlich stützte Kaleck seine Strafanzeige auf das seit Juli 2002 gültige deutsche Völkerstrafgesetzbuch. Nach dessen Paragraph 1 gilt für die in diesem Gesetzbuch aufgeführten Verbrechen gegen das Völkerrecht das Weltrechtsprinzip; demnach wären die deutschen Strafverfolgungsbehörden nach dem Legalitätsprinzip auch dann zur Verfolgung von Straftaten verpflichtet, wenn Taten von Ausländern gegen Ausländer im Ausland begangen werden. Eine nach den Tatbeständen des Völkerstrafgesetzbuches begangene Handlung muß demnach keinen Inlandsbezug aufweisen.

Diese Ansicht teilen die Strafverfolgungsbehörden in Karlsruhe nicht. »Vorrangig zuständig für die Strafverfolgung sind … die Vereinigten Staaten von Amerika als Heimatstaat der Angezeigten«, erklärte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag lapidar. Damit könnte Donald Rumsfeld spontan doch noch zur heute beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz kommen. Ob der bis gestern anhängigen Strafanzeige und drohender Ermittlungen hatte er seine Tagungsteilnahme abgesagt.

Der Artikel erschien im Februar 2007 in einer Berliner Zeitung.

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