Urteil tragen wie einen Ehrentitel.

Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde wegen unerlaubter Werbung für Abtreibungen zu einer Geldstrafe in Höhe von 6000,- Euro verurteilt.

In der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Gießen wurde das Urteil heute bestätigt.

Strafverfahren wegen des Vorwurfs der verbotenen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft: Landgericht verwirft Berufung von Gießener Ärztin.

Im Strafverfahren gegen eine Gießener Ärztin wegen des Vorwurfs der verbotenen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Gießen das Urteil des Amtsgerichts bestätigt.
Entgegen der Verhandlung vor dem Amtsgericht herrschte in der Hauptverhandlung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung Einigkeit, dass die Angeklagte durch ihren Internetauftritt entgegen § 219a StGB öffentlich den Schwangerschaftsabbruch angeboten hat. Die Verteidigung hat die Auffassung vorgetragen, dieses Verbot sei verfassungswidrig, da sie die Angeklagte in ihrer Berufsausübungs- und Meinungsfreiheit unverhältnismäßig verletze. Dem ist die Kammer nicht gefolgt. Der Vorsitzende hat in seiner Urteilsbegründung betont, dass es in einem Rechtsstaat nicht Aufgabe der Gerichte sei, eigenes politisches Ermessen an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Landgericht Gießen, Az. 3 Ns – 406 Js 15031/15

Das Landgericht Gießen hatte zwar Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Werbeverbots geäußert, sagte aber der Angeklagten bzw. Verurteilten: „Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz.“

Reaktionen:

Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey:

„Das Recht auf Selbstbestimmung von Frauen hat für mich eine ganz hohe Priorität. Wenn Frauen in so einer schwierigen Situation sind – und das ist eine extreme Ausnahmesituation – dann brauchen sie Beratung, Information und Unterstützung. Das darf man ihnen nicht verwehren. Das Recht auf Information, nicht auf Werbung, ist elementar. Darum brauchen wir eine Reform des Paragraphen 219a. Wir müssen die gute Arbeit von Ärztinnen und Ärzten entkriminalisieren und ihnen Rechtssicherheit geben.“

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Sozialdemokraten müssen bei 219a Farbe bekennen und handeln.

Zur Debatte über den Paragrafen 219a StGB erklärte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Stephan Thomae:

„Fast ein Jahr diskutieren wir im Deutschen Bundestag über eine Änderung des Paragrafen 219a StGB. Trotz mehrerer Gesetzentwürfe, zahlreicher Diskussionen im Rechtsausschuss und einer öffentlichen Anhörung hat es die Große Koalition bis heute nicht geschafft, eine gemeinsame Linie zu finden. Damit lassen Union und SPD Frauen in ihrer Notsituation weiterhin völlig allein. Der jüngste Vorstoß von Bundesjustizministerin Barley ist durchschaubar getrieben vom anlaufenden Berufungsprozess Kristina Hänels. Wir würden uns zwar freuen, wenn es tatsächlich zu Verbesserungen käme, doch haben wir daran große Zweifel, denn die Union verweigert jegliche Bewegung. In ihrem Starrsinn verdrängen CDU und CSU aber, dass es mit der SPD und den Oppositionsfraktionen eine parlamentarische Mehrheit für eine Änderung des Paragrafen 219a gäbe. Die Sozialdemokraten müssen daher endlich Farbe bekennen. Die Fraktion der Freien Demokraten wirbt für eine angemessene Änderung des Paragrafen. Wir werden uns aber auch keiner anderen Initiative verschließen, die eine Verbesserung für Frauen herbeiführt. Daher appellieren wir an die SPD, jetzt zu handeln.“

Paragraf 219a endlich vollständig streichen.

Anlässlich der heutigen Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Gießen wegen der Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel wegen sogenannter unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche, erklären Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik und Katja Keul, Sprecherin für Rechtspolitik von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag:

„Nach der erneuten Verurteilung von Kristina Hänel muss sich Katharina Barley fragen lassen, worauf sie eigentlich noch wartet. Es reicht nicht, monatelang eine Lösung anzukündigen. § 219a muss raus aus dem StGB – und zwar so schnell wie möglich. Wenn selbst das Gericht die Verfassungsmäßigkeit des Urteils anzweifelt, aber zu verstehen gibt, dass ihm die Hände gebunden seien und der Gesetzgeber hier gefragt ist, dann zeigt das einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf auf.

Am vergangenen Mittwoch wurde die Beratung zu unserem grünen Gesetzentwurf zur Abschaffung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche im Rechtsausschuss erneut vertagt. Das erinnert bedauerlicherweise an das undemokratische und zermürbende Gebaren der Großen Koalition aus der vergangenen Wahlperiode, als Woche für Woche die Entscheidung zur Einführung der Ehe für Alle vertagt wurde.

Es wird Zeit, dass die Große Koalition ihren für den Herbst angekündigten Gesetzentwurf endlich vorlegt, statt sich wöchentlich vor einer Entscheidung zu drücken. Wenn die Differenzen in der Koalition nicht ausgeräumt werden können, dann sollte die SPD darauf drängen, eine Bundestagsabstimmung ohne Fraktionszwang herbeizuführen. Wir sind uns sehr sicher, dass dies eine deutliche Mehrheit für unseren Gesetzentwurf hervorbringen würde.

Weder den Ärztinnen und Ärzten noch den Frauen ist geholfen, wenn man so wichtige Entscheidungen wegen politischer Unstimmigkeiten aufschiebt. Wir brauchen hier konkrete Lösungen für die Betroffenen. Gerichtsverfahren wie das heutige müssen endlich der Vergangenheit angehören. Wir kämpfen weiter parlamentarisch für die Abschaffung. § 219a StGB darf nicht zur neuen Ehe für Alle 2.0 zu werden.“

 

 

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