Da werde der Ball hin- und hergeschoben.

Dieter Hallervorden war am Mittwoch Gast bei Frank Jahnkes „Charlottenburger Gespräche“.

Am Mittwochabend war es wieder mal soweit: In seinem Charlottenburger Wahlkreisbüro in der Goethestraße 15 („Goethe 15“) empfing der wirtschafts- und kulturpolitische Sprecher im Berliner Abgeordnetenhaus, Frank Jahnke (SPD), nach den „Sommergesprächen“ mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, und dem Kosmonauten Sigmund Jähn nun den Schauspieler und Komödianten Dieter Hallervorden zu seinen regelmäßigen „Frank Jahnke.Charlottenburger Gespräche“.

Hallervorden, der gleich beim Betreten des vollbesetzten Wahlkreisbüros  mit starkem Applaus begrüßt wurde und dankbar das angebotene Mineralwasser entgegen nahm („da hat sich der Abend ja schon deswegen gelohnt“), zeigte auch im Laufe der Diskussion mit Frank Jahnke nicht weniger Humor und Heiterkeit.

Hallervorden, der in den 50er Jahren „Hals über Kopf“ in das damalige Westberlin „rübergemacht“ hatte, erzählte zunächst von den Schwierigkeiten, in der damals geteilten Stadt eine Wohnung zu finden und sich als Student an der FU Berlin einzuschreiben. Am Anfang sei es schon eine Zeit der Einsamkeit gewesen. Er habe dann aber schnell Kontakt zu einer französischsprachigen Theatergruppe gefunden. Das habe er zunächst nur als Hobby gemacht, aber die Lacher schnell auf seiner Seite gehabt. Da sei in ihm der Wunsch aufgekeimt, aus dem Hobby vielleicht einen Beruf zu machen. Da hätte ja wohl auch geklappt, „sonst würde ich ja nicht hier sitzen“, witzelte er. U.a. mit Wilfried Herbst, dem Bruder von Jo Herbst, und seiner ersten Ehefrau Rotraud Schindler, habe er im Jahre 1960 (zwei Tage vor Weihnachten) dann die „Wühlmäuse“ gegründet. Sie seien eine verschworene Gemeinschaft gewesen, „aber nicht so verschworen, dass es über die Zeit gehalten hätte“. Die „Wühlmäuse“ seien zwar aus einer Laune heraus gegründet worden, er wollte das Kabaretttheater aber als „mein Kind“ über Jahrzehnte behalten. Zwischenzeitlich existieren die „Wühlmäuse“ (https://www.wuehlmaeuse.de/) seit 57 Jahren.

Er erzählte von den Schwierigkeiten, sich anfangs gegenüber den „Berliner Stachelschweinen“ durchzusetzen; ohne seine Eltern und Schwestern, aber auch seinen Großeltern, die er noch vor dem Mauerbau nach Westberlin nachgeholt hatte, hätte er das aber alles nicht durchstehen können. Anfangs habe es gekleckert, dann aber auch geklotzt.

Schauspielunterricht habe er von der Schauspielerin und Schauspiellehrerin Marlise Ludwig erhalten, ohne dass er etwas hätte bezahlen müssen. „Ich glaube so fest an dich, mein Honorar zahlst du erst von deinen ersten Engagements“, erzählte Hallervorden stolz von der Großzügigkeit seiner Gönnerin, deren bekannteste Schauspielschüler u.a. Günter Pfitzmann, Horst Buchholz, Wolfgang Gruner, Klaus Kinski, Gottfried John und Harald Juhnke, aber auch Cornelia Froboess sowie seine damalige Ehefrau Rotraud Schindler waren. Marlise Ludwig war mit dem Schriftsteller und Drehbuchautor Heinz Oskar Wuttig verheiratet. 1982 ist sie im Alter von 96 Jahren verstorben.

„Wer von Geiz und Gewinnsucht getrieben ist, sollte tunlichst kein Theater aufmachen“, bemerkte Hallervorden zu der Situation, ohne Unterstützung nicht auszukommen.

Hallervorden erzählte von der Zeit, als noch nicht der Witz unter die Gürtellinie gefragt war; es hätte schon etwas mit Geist zu tun gehabt; das, was die „Bild-Zeitung“ als Klamauk bezeichne, wäre eben doch eine Unterhaltung, wo man nicht mit Leichtigkeit etwas aus dem Ärmel schüttelt; man musste vorher schon etwas in den Ärmel hineintun. Man musste sich vorher schon Mühe geben beim Schreiben und konnte nicht sagen, eine Schlusspointe haben wir nicht. Er wolle sich zwar nicht auf die Schulter klopfen und arrogant klingen, aber er glaube schon, „dass wir damals eine andere Qualität hatten“.

Angesprochen von Frank Jahnke auf seine Empfindungen zu Dauerwiederholungen im RBB wie etwa Sketche von Harald Juhnke, Eddie Ahrendt, Rudi Carrel, Heinz Ehrhardt, „Ekel Alfred“, aber auch Peter Frankenfeld, sagte Hallervorden: „Es ist bezeichnet, dass sich Leute beim WDR immer die Hände reiben, wenn sie einen, den sie nicht so richtig „für tüchtig“ hielten, an den RBB losgeworden sind.“ Es sei wichtiger jedes einzelne Huhn auf einer Geflügelfarn in Brandenburg zu zeigen, als eine Premiere in Berlin. In seinen Kollegenkreisen würde das als Schnarch-Sender bezeichnet. Dem stimmte Frank Jahnke auch in Bezug auf seinen Kollegenkreis zu.

Das Schlossparktheater (http://schlosspark-theater.de/), das er „aus einem ruinösen Zustand befreit“ habe und das mittlerweile seit 17 Jahren existiert, habe er als eine Aufgabe übernommen. Trotz der schadenfrohen Kritiker, die ihn als Möchtegernintendanten gesehen haben und ihm nicht mehr als vier oder fünf Monate gaben, habe er eines Besseren belehrt. „Nun gehen wir in die zehnte Spielzeit…, na ja, da haben sich ein paar Leute dann doch geirrt“, blickte Hallervorden mit Stolz und Genugtuung auf die damaligen Zweifler und Nörgler zurück.

Mit Rückblick auf die DDR und seine Heimatstadt Dessau erzählte er von einer Episode mit einem Mitschüler, der ihm die Mütze vom Kopf schlug als er anlässlich des Todes von Stalin im Jahre 1953 an einem in einem Saal auf der Bühne symbolisch aufgestellten leeren Sarg im Beisein der damaligen Justizministerin Hilde Benjamin vorbeidefilieren musste und die Kopfbedeckung dabei nicht abgenommen hatte. „Es sind manchmal unheimliche Zufälle, die einem im Leben weiterhelfen, denn hätte der Mitschüler mir nicht die Mütze vom Kopf gehauen, hätte ich in der DDR kein Abitur machen und studieren können“, würdigte Hallervorden die spontane Reaktion des Mitschülers.

Bei allem Optimismus, den Hallervorden ausstrahlt, zeigte er sich aber doch auch etwas besorgt, dass die Finanzierung des von ihm neu gegründeten Schlossparktheaters nicht sehr einfach sei. Auf Jahnkes Hinweis, dass er im Jahre 2012 in die institutionelle Förderung des Senats „reingenommen“ wurde und 250.000 Euro erhalten habe, erwiderte Hallervorden: „250.000 sind zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig für ein Theater.“ Er verglich das Renaissance-Theater (750 Plätze), das 2,1 Millionen Förderung erhalten hatte, mit dem Schlossparktheater (470 Plätze) mit der Fördersumme von 250.000 Euro. Der einzige Unterschied: Das Renaissancetheater ist zentral gelegen, das Schlossparktheater etwas am Stadtrand.

Verträge schließe er auf eigenes Risiko ab. Wenn die Lotto-Stiftung ihn nun auch noch im Stich lassen würde, hätte er erhebliche Schulden an der Backe. Die Lottostiftung, erinnerte Jahnke, habe ihn aber noch nie im Stich gelassen. Ja schon, erwiderte Hallervorden, die Stiftung hätte aber auch gesagt, jetzt sei die Politik auch mal wieder dran, und die Politik meinte: Vielleicht lasse sich die Lottostiftung wieder mal überreden. Da würde der Ball hin- und hergeschoben.

Der Einzige, der sich immer für ihn eingesetzt habe – das wolle er  zu seiner „Ehrenrettung“ sagen -, sei er gewesen, konzedierte Hallervorden Jahnke Respekt für dessen Engagement. Andere hätten lediglich Interesse geheuchelt, „aber von vornherein gewusst, es werde sowieso nichts“. Bei Jahnke hätte er immer den Eindruck gehabt, er werde tatsächlich etwas erreichen.

„Wird ja auch“, machte Jahnke Hallervorden eine Art Hoffnung auf weitere Förderung.

Auf seinem Blog schreibt Jahnke:

„Das lange leerstehende Schlosspark Theater hat Hallervorden auf eigene Kosten renoviert, wiedereröffnet und in eine beliebte Spielstätte verwandelt. ‚Die Toiletteneingänge waren ja so niedrig, dass selbst ich mich, der ich ja nur 1,76 groß bin, bücken musste, um da hinein zu kommen‘, resümiert er rückblickend. Inzwischen befindet sich das Theater in der zehnten Spielzeit. Trotzdem braucht das Theater Unterstützung, denn es gilt eben: »Wer von Geiz und Gewinnsucht getrieben ist, der sollte tunlichst kein Theater aufmachen«. Wichtig ist auch, dass das Schlosspark Theater eine Kulturinstitution ist, die nicht im Stadtzentrum liegt und damit sehr gut in das neue Berliner Tourismuskonzept passt, das genau auf Dezentralität setzt, und daher eine öffentliche Förderung durch das Land Berlin verdient.“

Auf eine Frage aus dem Publikum zur AfD sagte Hallervordern, auf diese Gruppierung draufzuhauen sei der falsche Weg. Man müsste die AfD mit Argumenten so lächerlich machen und entlarven, wie das teilweise schon in Talkshows passiere. Wenn jetzt wieder Bundestagswahlen wären, würde die AfD nicht mehr auf einen solchen hohen Stimmenanteil kommen. Mehr und mehr würden Leute merken, dass es Schaumschläger und verkappte Nazis und Ewiggestrige seien. Auf lange Sicht würde die AfD in Deutschland keine Rolle spielen. Das hoffe er, schränkte er wiederum schmunzelnd unter Lachen des Publikums ein.

Und die Sozialdemokraten?

Die müssten sich erst mal wieder neu erfinden, im Moment seien sie sich untereinander nicht so grün; er glaube nicht, dass Martin Schulz auf lange Sicht der beste Parteivorsitzende der SPD sei, dass das eine „Präsidentschaft“ auf Abruf sei; aber es sei schade, dass ein Mann wie Sigmar Gabriel wahrscheinlich jetzt ausscheiden wird. Er finde, dass Gabriel ein geradliniger Mann war, zwar keiner, der sich gut verkaufen konnte, aber dennoch bräuchte man mehr davon; auch Olaf Scholz gefalle ihm sehr gut. Auch Peer Steinbrück sei ein hochehrenwerter Mann, der aber nicht den richtigen Rückhalt in der Partei gefunden habe. Man habe ihm nicht die nötige und geforderte „Beinfreiheit“ gegeben habe. Es nütze nichts, wenn die SPD Kandidaten habe, die wie Raketen nach oben schießen, dann aber ganz schnell verglühten. Dass sei bei Steinbrück so gewesen, und jetzt sei es auch wieder passiert, sagte er mit Blick auf Martin Schulz.

Die SPD, sagte er mit Blick auf den Verzicht auf eine Regierungsmitarbeit, dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

Auf die Frage der TP Presseagentur, was er als FDP-Sympathisant von einer möglichen „Schwampel“ halte, sagte er: „Ich glaube, dass sie kommt, aber keine vier Jahre durchhalten wird“.

Hallervorden, der die Zusammenarbeit mit seinem Kollegen Frank Lüdecke lobte, merkte schließlich aber auch an, dass man Rollen nicht aus Nächstenliebe besetzen könne.

Sein „Jungbrunnen“, sagte er auf eine entsprechende Frage, seien seine guten Gene, er habe immer Sport getrieben und den Blick in die Zukunft gerichtet.

Auf einen Kronprinzen für seine Arbeit angesprochen, sagte der 82-jährige Hallervorden, wäre da der eine oder die andere, die oder den er sich vorstellen könnte, aber wenn er so darüber nachdenke, habe er vor, dass der oder die noch lange warten müssten. Dafür erhielt er lang anhaltenden Applaus.

Den Humor hat er auf jeden Fall nicht verloren. Als mutmaßlich Jahnkes Handy piepte, fragte Hallervorden schelmisch in dessen Richtung: „Ist das jetzt Ihr Herzschrittmacher oder meiner?“

Oder als ein Besucher ca. 45 Minuten später zur Veranstaltung eintraf: „So eine Uhr habe ich auch schon mal gehabt.“

Am Schluss gab’s von Frank Jahnke die obligatorische „Goethe 15“-Tasse, die jeder Gast bei den „Charlottenburger Gespräche“ erhält. Dieter Hallervorden war hoch erfreut. Das merkte man ihm sichtlich an.

TP Presseagentur, Dietmar Jochum

Fotoquelle/Collage: TP Presseagentur Berlin

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