Vollstreckungshilfeverfahren gegen den Arzt der ehemaligen so genannten Sekten-Siedlung Colonia-Dignidad in Chile, Hartmut Hopp, von Krefelder Staatsanwaltschaft eingeleitet.
Hartmut Hopp und sein Verteidiger Helfried Roubicek (Foto) äußern sich erstmals öffentlich zu den Hopp gemachten Vorwürfen in Bezug auf mutmaßliche Verbrechen in der so genannten Sekten-Siedlung Colonia Dignidad – exklusiv gegenüber der TP-Presseagentur.
Von Dietmar Jochum, TP Berlin.
Wenn es nach dem Willen des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin ginge, wäre der Lagerarzt der ehemaligen so genannten Sekten-Siedlung Colonia Dignidad in Chile, Hartmut Hopp, sofort zu inhaftieren. Das ECCHR forderte nun die Staatsanwaltschaft Krefeld auf, Hopp endlich festzunehmen.
Hopp wurde im Jahre 2011 in Chile wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Minderjährigen zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, der er sich durch Flucht nach Deutschland entzog. Hier schützt ihn jedoch seine deutsche Staatsangehörigkeit vor einer Auslieferung nach Chile, so das ECCHR. Gemeinsam mit der Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf aus Berlin hat das ECCHR nun die Staatsanwaltschaft Krefeld in einem Schreiben auf eine mögliche Fluchtgefahr von Hopp hingewiesen.
Hartmut Hopp – Arzt der einst berüchtigten ehemaligen deutschen so genannten Sekten-Siedlung Colonia Dignidad in Chile – lebt seit mehr als fünf Jahren in Krefeld und dort – so das ECCHR – von der deutschen Justiz weitgehend unbehelligt. Das ECCHR fürchtet nun, dass Hopp aus Deutschland flüchten könnte, denn seit Kurzem lägen der Staatsanwaltschaft Krefeld alle Unterlagen der chilenischen Justiz vor, um über die von Chile beantragte Vollstreckung des Urteils gegen Hopp zu entscheiden.
Die Staatsanwaltschaft Krefeld bestätigte gegenüber der TP-Presseagentur die Einleitung eines Vollstreckungshilfeverfahrens beim Landgericht Krefeld.
Die 1961 von dem Deutschen Paul Schäfer gegründete Colonia Dignidad, heute Villa Baviera, war ein auslandsdeutsches, festungsartig ausgebautes Siedlungsareal in Chile. Die Colonia Dignidad, in der heute noch immer etwa 280 Menschen leben sollen, soll nach Recherchen diverser Organisationen und von ihnen benannter Zeugen jahrzehntelang ein Ort schwerster Menschenrechtsverletzungen gewesen sein.
Gegner des Pinochet-Regimes (1973-1990) seien dort verschwunden, gefoltert und ermordet worden. Deutsche und chilenische Kinder seien zudem systematisch jahrzehntelang sexuell missbraucht worden. Hopp soll „rechte Hand“ des mittlerweile verstorbenen Gründers und Führers der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, gewesen sein und die Colonia Dignidad in äußeren Angelegenheiten vertreten haben.
Das ECCHR arbeitet seit 2011 zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen in der Colonia Dignidad und deren mutmaßlicher Kollaboration mit der Pinochet-Diktatur. Vorrangiges Ziel des ECCHR sei es, so die Organisation, durch juristische Schritte in Deutschland die Aufarbeitung in Chile zu unterstützen. Bereits im August 2011 reichte das ECCHR eine Strafanzeige gegen Hopp bei der Staatsanwaltschaft Krefeld ein. Diese eröffnete am 31. August 2011 ein förmliches Ermittlungsverfahren unter Berufung auf die Anzeige.
Begleitend dazu veröffentlichte das ECCHR ein Dossier über Hartmut Hopp, das dessen vermeintliche Rolle in der Colonia Dignidad näher beschreibt und Hinweise auf seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Mittäter oder mittelbarer Täter geben soll. Am 14. Februar 2012 hatte Hopp erstmals als Beschuldigter vor der Staatsanwaltschaft Krefeld Gelegenheit, auszusagen. Allerdings sei es nur eine erste Begegnung mit der Staatsanwaltschaft gewesen, die keinesfalls als abgeschlossen gelte, auch weil dort nur Teilbereiche von der Staatsanwaltschaft angesprochen worden seien und einiges zurückgestellt wurde, betont Hopps Anwalt Roubicek in Deutschland.
ECCHR-Kooperationsanwältin Schlagenhauf reichte im Oktober 2011 für drei Mandanten zwei weitere Strafanzeigen ein. Zum einen für die Eheleute M., die jahrelang bis 2003 in der Colonia Dignidad mit Psychopharmaka misshandelt worden sein sollen und mittlerweile wieder in Deutschland lebten, zum anderen für Andrés Rekas, dessen Schwester in der Colonia Dignidad im Mai 1976 verschwunden sein soll. Der Fall sei bereits im Bericht der chilenischen Untersuchungskommission Rettig im Jahre 1991 aufgenommen worden.
Ein erstinstanzliches Urteil erging im Januar 2012 in Chile und endete in erster Instanz mit Verurteilungen der chilenischen Täter und zweier Gehilfen aus der Führung der Colonia Dignidad, wobei diese letztendlich in Chile dann doch freigesprochen wurden, worauf Anwalt Helfried Roubicek gegenüber der TP-Presseagentur ausdrücklich hinweist. Das Verfahren gegen Hartmut Hopp wurde aufgrund seiner Flucht nach Deutschland ausgesetzt.
Mit dem Krefelder Ermittlungsverfahren gegen Hartmut Hopp bestehe für viele Opfer die Hoffnung, dass es nach über 25 Jahren halbherziger Ermittlungen in Deutschland durch die Staatsanwaltschaft Bonn nun zu einer ernsthaften Aufklärung und Verfolgung zahlreicher schwerster Verbrechen in der Colonia Dignidad komme, so das ECCHR. Dabei müsse auch die Rolle deutscher Außenpolitik in diesem Gesamtkomplex zur Sprache kommen, betonte das ECCHR.
Ermittlungsansätze gäbe es selbst in Deutschland genug, so die Organisation. Im Jahre 1988 sei gegen Hartmut Hopp bei der Staatsanwaltschaft Bonn ein Ermittlungsverfahren eröffnet worden. Darin seien zahlreiche Zeugen gehört und im Jahre 2005 durch einen chilenischen Nebenklagevertreter eine Vielzahl von Unterlagen aus dem dortigen Verfahren eingereicht worden. Hinzu komme, so das ECCHR, dass einige der mutmaßlich Geschädigten der Colonia Dignidad in Deutschland lebten und konkret zum Fall Hopp aussagen könnten. Gleiches gelte für Historiker und Anwälte, die sich seit Jahren mit der Colonia Dignidad beschäftigten und die chilenischen Akten teilweise auch kennen würden.
Helfried Roubiček, Fachanwalt für Strafrecht aus Börgerende im Landkreis Rostock an der Ostsee und alleiniger Strafverteidiger von Hartmut Hopp in Deutschland, kenne den Antrag der Staatsanwaltschaft Krefeld erst seit wenigen Tagen, sagte er gegenüber der TP-Presseagentur. Dieser Antrag, der dem Landgericht Krefeld seit der ersten Junihälfte 2016 vorläge, werde nun eingehend zu prüfen sein, so Roubicek.
Er kenne zwar die gesamte Akte, so Roubicek, „wir haben auch umfangreich zur Verteidigung des Herrn Dr. Hartmut W. Hopp der Staatsanwaltschaft im Rahmen seiner Verteidigung zugearbeitet“. Danach könne das Begehren der Republik Chile in Deutschland schon aus Rechtsgründen letztendlich keinen Erfolg haben, so der Anwalt.
„Dem deutschen Verfahren bezüglich der chilenischen Strafvollstreckungshilfe sehe ich gelassen entgegen“, ist Strafverteidiger Helfried Roubiček voller Zuversicht, dass er seinen Mandanten erfolgreich verteidigen könne. Er sehe es als erwiesen an, dass die chilenische Prozessordnung nicht den Mindeststandards entspreche, „mithin nicht mit der deutschen Strafprozessordnung (StPO) sowie mit den deutschen Grundsätzen vergleichbar ist und so letztendlich keinen Erfolg“ haben werde. Die alte chilenische Strafprozessordnung (StPO) sei schon vom damaligen chilenischen Staatspräsidenten Eduardo Frei Ruiz-Tagle als „inquisitorisch, absolutistisch und geheim“ bezeichnet worden, und zwar, als es im Jahre 2000 um die Einführung der neuen chilenischen StPO ging. Diese Botschaft habe der Staatspräsident so dem Parlament bzw. seinem Volk vorgetragen, nachzulesen sei das in seinem spanischsprachigen Redetext. Parallel dazu habe bis in das Jahr 2016 hinein noch die alte chilenische StPO gegolten, die über 100 Jahre alt sei und daher unter keinem Gesichtspunkt den heute notwendigen und vor allem deutschen Standards sowie den grundlegenden Regelungen der EMRK (Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) entspräche. Als Beispiel nennt Roubicek: Richter seien nach der alten Strafprozessordnung nicht unabhängig. Der Ermittlungsrichter fungiere selbst als „Staatsanwalt“ und spreche später dann auch selbst das Urteil. Und nahezu das ganze Verfahren sei „geheim“. Elementare Verteidigungsrechte seien beschränkt. Im Fall Hopp sei ausschließlich die alte Strafprozessordnung angewendet worden, obwohl es die letzten 16 Jahre schon die moderne Strafprozessordnung in Chile gegeben habe. Somit lägen eine Reihe von Verfahrensverstößen gegen elementare Grundsätze vor, die für die deutsche Justiz unüberwindbar sein würden und zu keiner erfolgreichen chilenischen Strafvollstreckungshilfe in der BRD führten, führt Rechtsanwalt Roubicek weiter aus.
Ihm sei auch bekannt, dass es in diesen letzten ein bis zwei Jahrzehnten mehr oder weniger intensive „Unterstützung“ der chilenischen Justiz durch deutsche Entwicklungshilfeprojekte gegeben habe, um den chilenischen Strafprozess „flott zu machen“ für die moderne Zeit in einem aufstrebenden lateinamerikanischen Land mit intensivem Deutschtum, Kultur und vielen in Chile lebenden Menschen aus Deutschland und so die „alten Zöpfe abzuschneiden“ durch Beseitigung der, wie Roubicek ausführt, alten chilenischen StPO, die selbst der chilenische Staatspräsident seinerzeit vor über 16 Jahren mehr als „obsolet“ bezeichnet habe, wobei es bei den deutschen Experteneinsätzen in Chile insbesondere seit ca. dem Jahre 2000 um die Anpassungsphase im Lande ging. An diesen deutschen Hilfen für Chile hätten vor Ort in Chile in Langzeit- und Kurzzeitexperteneinsätzen u. a. Wissenschaftler, Professoren und sogar deutsche Staatsanwälte mitgewirkt. Sie seien immer wieder nach Chile gereist und hätten vor Ort mitgeholfen, das chilenische Justizsystem im Strafprozessrecht zu modernisieren, weil es letztendlich nicht mehr tragbar gewesen wäre. Roubicek, der bis 1967 selbst in Chile jahrelang bis zum Abitur die Schule besucht hatte, betont in diesem Zusammenhang: “Mein Mandant Dr. Hartmut W. Hopp ist eben gerade durch diese alte schon lange nicht mehr akzeptable chilenische StPO verhandelt / behandelt worden. Da beißt die Maus keinen Faden ab: das entspricht nicht den deutschen Mindeststandards an ein geregeltes rechtsstaatliches Strafverfahren und noch weniger steht es in Übereinkommen mit den Grundsätzen der EMRK!“.
Als Hopps jahrelanger Verteidiger hebt Roubiček nochmals hervor, sehe er den beiden Verfahren in Deutschland – Exequaturverfahren (Vollstreckungshilfeersuchen aus Chile) sowie dem deutschen schon über 5 Jahre andauernden Ermittlungsverfahren – gelassen entgegen. Hartmut Hopp ließ der TP-Presseagentur über Roubicek mitteilen, es könne ihm nichts nachgewiesen werden und er widerspreche auch kategorisch jeder Beteiligung – wie auch immer – an Sexualverbrechen einerseits und andererseits an den ihm auch sonst schon seit Jahren immer noch gemachten Tatvorwürfen in Bezug auf die Colonia Dignidad in Chile (Mord, Körperverletzung etc.), die nun auch Gegenstand von aktuellen Ermittlungsverfahren in Deutschland sind.
Strafverteidiger Roubicek bezieht abschließend noch einmal Stellung zum aktuell beim Landgericht Krefeld anhängigen Vollstreckungshilfeverfahren (Exequaturverfahren nach §§ 54, 55 IRG – Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen): „Wenn einem Land – wie hier Chile im zugrundeliegenden Fall Hopp während seines chilenischen Strafprozesses – unter Anwendung der alten chilenischen Strafprozessordnung die elementaren Grundsätze einer regulären Beweiswürdigung ganz oder nahezu fremd sind bzw. waren und zwar sie so, wie wir sie hier in Deutschland schon jahrzehntelang kennen und wir sie mit Regelmäßigkeit und verfassungskonformer Normalität im Strafprozess haben und mithin als Selbstverständlichkeit praktizieren, im Übrigen das alte Gesetz in Chile selbst vom chilenischen Staatspräsidenten als „inquisitorisch, absolutistisch und geheim“ bezeichnet wurde, so liegt es dann doch auf der Hand, zu welchem Ergebnis die deutsche Justiz – ggf. durch intensive (wissenschaftliche) rechtsvergleichende Analysen BRD/StPO # Chile/alte StPO – wird kommen müssen. Über 1000 Seiten (!) im chilenischen Urteil von überwiegend schlichtweg nur oder annähernder Aneinanderreihungen von ellenlangen (monotonen) Zeugenaussagen und allgemeinen Verfahrensusancen nach der (alten) chilenischen StPO, können nie den Mindeststandards einer regulären, ausgewogenen Beweiswürdigung mit einer solchen im deutschen Urteil entsprechen. Und genau um diese Prüfung der rechtsstaatlichen Mindeststandards geht es jetzt, denn bei Hopp ist die uralte StPO Grundlage gewesen. Das chilenische Urteil ist insofern nicht verwertbar, wobei ich mir natürlich nicht anmaße, etwas nach chilenischem Recht zu beurteilen. Darauf kommt es aber sowieso nicht an. “
Ob Hopp in Chile tatsächlich kein rechtsstaatliches Verfahren hatte, darüber wird nun das Landgericht Krefeld und im Falle einer negativen Entscheidung als wahrscheinlich in Anspruch genommene Beschwerdeinstanz das Oberlandesgericht Düsseldorf zu befinden haben, kündigte Verteidiger Helfried Roubicek der TP-Presseagentur vorsorglich an.
Hopp selbst ließ der TP-Presseagentur über seinen Anwalt Roubicek folgende Erklärung zukommen:
„Geboren bin ich im Jahr 1944 als zweites Kind eines deutschen Soldaten (geboren 1918 in Samara/Russland, gefallen 1944 in Italien) und der Gertrud Helene Miottel, geboren 1922 in Pommern, seit 1962 wohnhaft in Villa Baviera / Südchile. Dorthin wanderte meine Mutter mit ihrem 2. Ehemann, Joseph Schmidtke, und ihren neun Kindern aus.
Ende 1956 wurde ich wegen Eingliederungsschwierigkeiten im eigenen neuen Zuhause in das seinerzeit im Aufbau befindliche Jugendheim bei Siegburg / NRW aufgenommen – wusste jedoch bald, dass im Vergleich zu anderen jugendlichen Mitgliedern des Heimes zwischen dem Leiter Paul Schäfer und mir kein Vertrauen bestand, was sich auch später in Chile nicht änderte. Im Alter von 24 Jahren erhielt ich – auf Druck des damaligen Präsidenten der Colonia Dignidad (kurz: CD), Hermann Schmidt († 1996) – die Sondererlaubnis, im Ausland zu studieren. Nach Abschluss des 4. Semesters an der University California Davis / USA kehrte ich als Student zurück, um in Chile das Medizinstudium weiterzuführen, das ich 1978 an der Universidad Católica de Chile abschloss.
Fortan half ich als Arzt mit Hilfe befreundeter Fachärzte das 1978 bereits seit 10 Jahren bestehende Krankenhaus der CD zu einem multidisziplinären Zentrum auszubauen, in dem über 25.000 Patienten aus jener Region in Südchile – so groß wie in etwa das Saarland – kostenlos medizinisch behandelt wurden. Auch Operationen wurden durchgeführt. Ende der 80er Jahre begann der Kampf um die Rettung des Krankenhauses: Aufgrund absehbaren Schwierigkeiten für die CD als juristischer Person, warb ich in den folgenden vier Jahren in Medien und Fachgremien um Unterstützung für das Weiterbestehen des Krankenhauses. Trotz vielseitigen Zuspruchs und Hilfestellung, kam es Ende 1994 zum Entzug der juristischen Person der CD und mithin der Schließung des Krankenhauses. Dank der Initiative lokaler Nachbarschaftsvereinigungen konnte jedoch ein Jahr später die erhoffte Neueröffnung realisiert und sodann noch jahrelang Tausende Patienten – dann jedoch überwiegend ambulant – betreut werden.
Meine in den genannten Jahren realisierte Arbeit in der Öffentlichkeit hatte nichts mit Unterstützung für Paul Schäfer als dem alleinherrschenden Leiter der CD zu tun, sondern war einzig und allein auf das Fortbestehen des Krankenhauses ausgerichtet. Seit Ende der 80er Jahre bis 1998 hatte ich mich neben der ärztlichen Tätigkeit voll und ganz diesen erwähnten Aufgaben gewidmet. Fälschlicherweise wurde – und wird – mir dieses Engagement als das eines offiziellen Vertreters der CD interpretiert. Das traf zu keinem Zeitpunkt zu!
Als seit den Jahren 1996/97 die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Paul Schäfer begannen, war ich absolut überzeugt, dass sie sich sehr schnell als unbegründet herausstellen würden. Jedoch, das Gegenteil war zu meinem Schrecken und Verwunderung vieler Menschen in der CD der Fall. Paul Schäfer tauchte unter und überließ die CD ihrem Schicksal. In den folgenden Jahren konnte ich am eigenen Leibe erfahren, was es heißt, Opfer von Ermittlungen und Verhaftungen seitens der Justiz in Chile zu werden, bei denen ein „Sonderrichter“ auch die Funktion des Staatsanwaltes, des Anklägers und auch des später urteilenden Richters wahrnahm.
Mitte 2002, in einem Gespräch mit den Eltern der in der CD aufgewachsenen Kinder, berichtete man mir von schockierenden Enthüllungen, die ihnen ihre eigenen Kinder über die von Paul Schäfer über Jahre erlebten sexuellen Misshandlungen gemacht hatten. Es ist mir noch heute unbeschreiblich, wie tief mich diese Wahrheit aufgewühlt hat. Ich bin entsetzt über das Geschilderte und distanziere mich von jeglichen Handlungen, die hiermit in Verbindung stehen, da ich als ehemaliger Klinikchef im Zuge der Aufarbeitung der Geschehnisse automatisch in den Strudel der Beschuldigten geraten war. Ich erkläre an dieser Stelle: Ich habe solche Straftaten nicht vollbracht, habe an solchen weder direkt oder indirekt mitgewirkt noch als Leiter eines Krankenhauses für 25.000 Menschen irgendein Detailwissen zu solchen Vorfällen gehabt, um hierauf in angemessener Weise als Arzt rettend und abwehrend reagieren zu können. Ich übernehme mithin auch keinerlei Verantwortung für Tatfolgen Dritter, auch zu keiner der sonstigen mir gemachten Vorwürfe!
Trotz der Anklage in Chile, die der genannte Richter gegen mich betrieb, glaubte ich jedoch stets meinen Anwälten in Chile, dass ich – da nichts verschuldet – auch nichts zu befürchten habe. Doch dem Richter gelang es, u. a. aus der von den Medien bewerkstelligten angeblichen „Führungsrolle“ in der CD Verantwortung meinerseits auch für die von Paul Schäfer begangenen Verbrechen abzuleiten, auf Grund derer er mich zu einer Gefängnisstrafe verurteilte. Auch an den mir nun in Deutschland seit 2011 gemachten vielfältigen Vorwürfe angeblicher strafbarer Handlungen, die alle die viele Jahre zurückliegenden Zeiten in Chile betreffen, ist tatsächlich nichts dran!
Ich lebe nun in Krefeld. Bevor das Urteil in Chile rechtskräftig wurde, beschloss ich, nach über 50 Jahren wieder nach Deutschland zurückzukehren, auch, um hier berechtigten Schutz und Rechtsstaatlichkeit sowie Gerechtigkeit zu erlangen. Ich habe große Hoffnung, dass die deutsche Justiz die Fakten zutreffend sieht und auch das aktuelle Vollstreckungshilfeverfahren, das vom Staat Chile vor über 2 Jahren initiiert wurde und beim Landgericht Krefeld momentan anhängig ist, zurückweist. Mit meinem seit Jahren für mich in Deutschland als Strafverteidiger tätigen Anwalt Helfried Roubicek, der mein volles Vertrauen hat, haben wir auch in diesem Exequaturverfahren in den zurückliegenden rund 2 Jahren bereits umfangreich erste Verteidigungsvorbringen vorgebracht. Sicherlich werden wir dort auch noch Weiteres vortragen müssen.“
Wie es auf Anfrage der TP-Presseagentur aus dem Auswärtigen Amt heißt, liege die Angelegenheit „nun in den Händen der deutschen Justiz“. „Wir begrüßen es“, so das Auswärtige Amt weiter, „dass die Staatsanwaltschaft nun einen Antrag auf Vollstreckung eines chilenischen Urteils gegen den ehemaligen Arzt der Colonia Dignidad, Hartmut Hopp, an das zuständige Gericht weitergeleitet hat“.
Anlässlich einer Veranstaltung zu der so genannten Sekten-Siedlung Colonia Dignidad am 26. April 2016 im Weltsaal des Auswärtigen Amtes erklärte bereits Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier u.a.: „Nein, der Umgang mit der Colonia Dignidad ist kein Ruhmesblatt, auch nicht in der Geschichte des Auswärtigen Amtes. Über viele Jahre hinweg, von den sechziger bis in die achtziger Jahre haben deutsche Diplomaten bestenfalls weggeschaut – jedenfalls eindeutig zu wenig für den Schutz ihrer Landsleute in dieser Kolonie getan. Auch später – als die Colonia Dignidad aufgelöst war und die Menschen den täglichen Quälereien nicht mehr ausgesetzt waren – hat das Amt die notwendige Entschlossenheit und Transparenz vermissen lassen, seine Verantwortung zu identifizieren und daraus Lehren zu ziehen.“
Steinmeier weiter:
„Zunächst einmal müssen wir mehr Transparenz schaffen. Die gesetzliche Schutzfrist für die Öffnung der Akten des Politischen Archivs beträgt 30 Jahre, Akten bis 1985 sind also bereits zugänglich. Ich habe entschieden, diese Schutzfrist um zehn Jahre zu verkürzen. Damit machen wir die Akten der Jahre 1986 bis 1996 für Wissenschaftler und Medien zugänglich. Dabei müssen die Persönlichkeitsrechte der Opfer natürlich ausreichend geschützt werden.“
Wie der Leiter der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Krefeld, Oberstaatsanwalt Axel Stahl, auf Anfrage der TP-Presseagentur bereits in der letzten Woche mitteilte, sei ein Haftbefehl gegen Hartmut Hopp jedoch nicht beabsichtigt. Die Staatsanwaltschaft erwäge eher oder könne sich eine Ladung zum Strafantritt vorstellen, so Stahl gegenüber TP, wenn das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen und letztlich die politische Zustimmung erteilt sei. Das sei erforderlich, wenn ein ausländischer Staat um die Vollstreckung eines in seinem Lande verhängten Urteils im Heimatland des Verurteilten ersuche.
Foto: Strafverteidiger Helfried Roubiček in Heiligendamm an der Ostsee
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